Es wird Zeit die Gretchenfrage zu stellen – wie schaut's
denn aus mit der Religion? Die vielen Eindrücke im Lande, gerade mir fremder
Formen von Glaube und Frömmigkeit, hinterlassen Spuren, wirken nach, regen zum
Nachdenken an. Den tiefen Einblick habe ich sicherlich noch nicht. Und wie so
oft im Leben, kann man nun mal nicht alles über einen Kamm scheren – auch, wenn
manches sicherlich an Klischees erinnert und das Schubladendenken wohl trotz
allem ein gewisses Raster für die Sortierung der Eindrücke bewirkt. Doch von
welchen Religionen kann ich den nun Eindrücke wiedergeben? Sicherlich zunächst
einmal – ganz oberflächlich – vom Judentum: Seltsamerweise fallen mir die
Synagogen kaum auf (Sieht man mal von der Hurva-Synagoge ab, die seit 2005 als
bewusste Konkurrenz zum Felsendom innerhalb des Stadtbildes wieder errichtet
und 2010 eingeweiht wurde). Der Blick hierfür ist wohl noch nicht richtig
geschult. Wesentlich offensichtlicher sind natürlich die Angehörigen der
einzelnen jüdischen Religionsgemeinschaften. Die Kippa sieht man auf so vielen
Köpfen, seien es Einwohner, Polizisten, Militär und vermutlich auch Touristen.
Dies ist im jüdischen Viertel der Altstadt auch nicht sonderlich überraschend.
Womit ich zwar hätte rechnen können, aber natürlich im Vorfeld nicht darüber
nachgedacht habe, ist die Masse an orthodoxen Juden. Die Kleidung in
schwarz/weiß, der schwarze Hut und die Schläfenlocken sind besonders vor der
Klagemauer omnipräsent. Das erstaunliche
ist aber, dass dieser Anblick auf mich weder großartig befremdlich noch
besonders speziell gewirkt hatte. Das Gesamtbild war auf jeden Fall stimmig. Als
ich dann allmählich auf die Klagemauer zulief, dachte ich am Anfang noch, dass
sich meine rationale Ader durchgesetzt hat und ich in einer gewissen Gleichgültigkeit
gegenüber den Resten des Jerusalemer Tempels verharre. Doch kaum näherte ich
mich dann dem Bereich des Gebetes und stand quasi Auge in Auge dem
Herodianischen Bau gegenüber ergriff mich eine Art Heiliger Schauer, der auch
heute immer noch nachklingt. Ich gehe bislang nicht davon aus, dass ich dem
Jerusalem Syndrom verfallen bin, doch eine gewisse Heiligkeit – ob aus mit
persönlicher heraus oder durch die Atmosphäre vor Ort beeinflusst – habe ich
tatsächlich empfunden und spüre es noch immer nach. Verstärkt wurde dies
vielleicht durch das Beobachten des Betens der gläubigen Juden. Vom kleinsten
Jungen (die Gebetsbezirke sind ja bekannter weise in Geschlechtern getrennt)
bis hin zum ältesten Mann wird mit einer solchen Hingabe, Intensivität vor dieser
Mauer gebetet – das war wirklich bewundernswert. Hier ist es immer wieder
schade zu merken, dass ich selbst so ein schlechtes Bild von christlichen
Pilgern habe, die sich für mich grob in naive Frömmler und nervigen Touristen teilen.
Ich hoffe, dass ich gerade durch diese Beobachtung sowohl die eine als auch die
vielen anderen Formen (christlicher) Frömmigkeit und Wahrnehmung von Heiligem
ernst nehmen und vor allem auch bewundern kann. Es sollte ja auch in der
Reflexion das Gras auf der anderen Seite nicht grüner bleiben…
Eine weitere Religion, die nun wirklich kaum zu übersehen
ist, ist "der" Islam. Schon bei der Anreise in der Nacht von Freitag
auf Samstag wurde dies deutlich. Gerade als wir mit dem Taxi auf den Zionsberg
gefahren sind, strömten die Gläubigen zum Gebet in die Moschee (irgendwann so
gegen halb 5). Der Ruf des Muezzin war somit eines der ersten Geräusche die
hier wahrgenommen habe. Ich war überrascht wie schön dies eigentlich klingt.
Ich will jetzt sicherlich nicht darüber urteilen, ob ich den Gesang auch bei
mir daheim im Garten hören möchte, doch hier habe ich ihn als Teil eines
insgesamt stimmigen Konzepts der Stadt wahrgenommen. Eine weitere Auffälligkeit
sind natürlich die Minarette. Diese sind nachts mit der muslimischen Farbe Grün
beleuchtet, was sich natürlich in der Wahrnehmung der Stadtbeleuchtung
niederschlägt. Selbige ist in der Zeit des Ramadan auch noch weiter muslimisch
geprägt. Da jeden Abend ein Fastenbrechen stattfindet, findet jeden Abend ein
ausgeprägtes Stadtleben statt. Dieses zeigt sich unter anderem an brechend
vollen Straßen und bunter Festbeleuchtung im arabischen Viertel. Vor dem
Damaskustor wurde sogar ein grüner Lichtschlauch in der Form des Halbmondes
aufgehängt. Ob dieser dort immer hängt, werde ich dann nächste Woche wissen.
Trotzallem merkt man den Menschen die Schwere des Fastens an. Viele Geschäfte
haben gar nicht oder nur teilweise geöffnet und die Verkäufer wirken ausgezehrt
und müde. Doch da der Ramadan an diesem Wochenende endet, wird das bunte
Treiben in Gasse bald wieder in voller Blüte aufleben. Besonders eindrucksvoll war
die Gebetsnacht am Dienstagabend. Vom Turm der evangelisch-lutherischen Erlöserkirche
konnten wir den Tempelplatz beobachten, auf dem sich die Muslime zur Lailat
al-Qadr, der Nacht der Bestimmung getroffen haben. In dieser Nacht wird der
Offenbarung des Korans gedacht bzw. dessen erstmalige Verkündung an Muhammad. In
weißen Gewändern versammelt man sich zum gemeinsamen Gebet. Auch wenn man auf
die Entfernung nur wenige Details erkannt hat, so konnte man doch die
Bewegungen zum Gebet erkennen (ist ja im Islam eine ganzkörperliche Haltung).
Unsere Beobachtung dauerte in etwa eine Stunde, gebetet wird z.T. die Nacht
durch, allerdings sind wohl ab ca. halb 12 Auflösungserscheinungen zu hören.
Als letzte Religion, die ich hier deutlich wahrnehme, wollte
ich noch den Katholizismus ansprechen, doch das wird nun doch ein eigenes
Kapitel.
PS: Wenn unser Intranet funktioniert, werde ich auch
entsprechende Bilder ergänzen… Meine Kamera ist leider nicht funktionsfähig :(
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