Donnerstag, 30. August 2012

O Little Town of Bethlehem


Vorerst werde ich die Weihnachtsgeschichte wohl anders lesen. Die Exkursion nach Bethlehem am Dienstag war spannend, vielfältig und auch desillusionierend. Das idyllische Dorf entpuppte sich als richtig schmutziger und überladener Ort. Selbst die Geburtskirche, die vielleicht etwas Heiliges an sich haben sollte, war eine Enttäuschung. Eigentlich kann ich schmuckhaften Kirchen, welche die Ehre Gottes und seine Herrlichkeit in den Mittelpunkt rücken, durchaus etwas abgewinnen. Aber hier passte es so gar nicht zusammen. Zum Teil ganz alte Mosaike die auf die Zwischenzeit von Konstantin und Justinian datiert werden auf dem Boden, dann wieder Wandmosaike die wohl aus der Kreuzfahrerzeit stammen. Das Gebäude alt, oft beschädigt – mittlerweile Weltkulturerbe, aber gefährdet, weil baufällig. Und diesem ganz alten, vielleicht hier sogar noch idyllischen Teil der Kirche folgt der Altarraum. An Protzerei wohl kaum zu übertreffen. Kunst mag ja durchaus angebracht sein und Schönheit ist relativ, aber mein Stil ist es definitiv nicht. Und dann gibt es ja auch noch die Geburtsgrotte. Positiv ist anzumerken, dass die berüchtigte Warterei nahezu nicht vorhanden war. Aber dann schreien sich die emotionalen Portugiesen gegenseitig an, man solle an einem Heiligen Ort gefälligst ruhig sein, usw. Sowohl Raum als auch Besucher baten nicht die Atmosphäre eines religiösen Heiligtum, eines Gedenkortes, eines Kultortes – ganz im Gegenteil zur Atmosphäre der Klagemauer… Im unteren Teil der Kirche befindet sich neben der Geburtsgrotten noch andere Grotten unterschiedlichster Traditionen. In einer soll Hieronymus gelebt und die Vulgata vollendet haben. Am Mittag des Besuches in Bethlehem diskutierten wir mit Mitri Raheb. Der Pastor der evangelischen Weihnachtskirche führte uns in seine Kontextuelle Theologie ein. Grob verkürzt liest er die Bibel als Geschichtensammlung eines unterdrückten Volkes, welches sich gegen ein Imperium behaupten muss. Diese Geschichten sind zudem in einer bestimmten Region angesiedelt und müssen im Kontext dieses Landes verstanden werden.  Für ihn ist in der Moderne der Staat Israel das Imperium (samt seinen westlichen Unterstützern)  und die Palästinenser sind das unterdrückte Volk. Mit viel Polemik und einer Spitzenaussage nach der Anderen versuchte er uns sowohl die aktuelle, sicherlich nicht falsche Notlage zu schildern, und forderte uns auf unsere eigenen Positionen der "deutsche Theologie", welche er als Fundamentalismus versteht, zu hinterfragen. Für mich persönlich hat der Schlusssatz, dass wir durchaus noch mit seiner Theorie streiten dürfen, sie aber mit dem Alter der Reife verstehen und annehmen können und werden, die ganze Argumentation ad absurdum geführt. Dennoch waren auch bedenkenswerte Ansätze dabei und bis heute diskutiert die Gruppe eifrig über seine Aussprüche. Wir besuchten noch die Weihnachtskirche mit einem palästinensischen Mitarbeiter, der ebenfalls die aktuelle politische (Not-)Lage verständlich aufzeigte. Der Rückweg führte uns zu Fuß an der Mauer entlang, auf der verschiedenste Graffiti zu sehen waren. Viele zeigten Unverständnis, Freiheitsbewegung, zum Teil Radikalisierung aus dem Lande heraus, aber auch viel Solidarität von auswärtigen Gruppen, die sich darauf verewigt haben. Den Checkpoint passierten wir zwar mühelos, aber es dennoch mussten wir die langen und geordneten Sicherheitszäune und Kontrollen passieren. Für den einmaligen Durchgang war es als Erlebnis sicher nicht repräsentativ und als offensichtlicher Ausländer zweimal nicht. Aber die Vorstellung, dass man sich tagtäglich für seine Bewegungen rechtfertigen muss (wenn man überhaupt diese Bewegungsfreiheit besitzt), war präsent und man darf froh sein eine solche Entmündigung nicht erfahren zu müssen.
Den Abend ließen wir beim Sommerfest des DIE ausklingen. Gemeinsam mit den Studenten von Studium in Israel, der kirchlichen und akademischen Prominenz vor Ort und weiteren vielfältigen Gäste, genießten wir die Gartenparty auf dem Ölberg. Dort fanden sich auch zwei Brüder "unserer" Abtei wieder. Ob es ein Bruder sagte, oder doch jemand anderes weiß ich nicht mehr. Jedenfalls wurde ich bei meinen Erzählungen zu Bethlehem ermutigt es nochmals an Weihnachten zu versuchen und auf jeden Fall nochmal hinzugehen. Der Charme Bethlehems und auch der der Geburtskirche kommt erst mit der Zeit zu Tage. Und zuletzt muss man sich immer wieder klarmachen, die Menschwerdung Gottes war kein sensationelles Großereignis in einem Königspalast. Nein – im nach wie vor verdreckten und schmutzigen Bethlehem kam er zur Welt. Als Licht in die Hoffnungslosigkeit und im bewussten Kontrast zwischen Herrlichkeit und Elend.

Montag, 27. August 2012

Drum grüß ich Dich mein Badnerland!

Wie sieht eigentlich so ein Studium an der Dormitio aus? Wer sich diese Frage gestellt hat, soll nun eine Antwort erhalten. Ein kleiner Einblick in die erste, wohl vergleichsweise entspannte Studienwoche. Jede Woche findet eine Exkursion statt. Zu Beginn liegen die Organisation und die inhaltlichen Einführung in den Händen der Studienassistenten. Doch in naher Zukunft wird der zweite Teil von uns Studenten übernommen werden und auch bei der Organisation sind wir nicht völlig untätig – immerhin gibt es ein Team, welches sich um die Verpflegung kümmern darf. Die erste Exkursion war am Montag – eine Busreise in die nähere Umgebung. Zunächst fuhren wir auf den Ölberg zum Augusta Victoria Compound. Wie wir ja bereits wissen, steht hier die evangelische Himmelfahrtskirche. Diese ist nicht geostet, sondern auf den eigentlichen Platz der Aufnahme Jesus in den Himmel hin ausgerichtet. Die künstlerische Gestaltung spielt auch hier auf Byzanz an und natürlich fehlt auch das Abbild des Kaiserpaares nicht. Zudem finden sich einige kleinere und größere Raffinessen. So ist Petrus der einzige Apostel, welcher nicht mit Sankt betitelt wird, sondern einfach nur den "Titel" Simon trägt. Wollte hier etwa jemand die Heiligkeit des Heiligen Vaters bestreiten? Zudem gleicht das Bildnis des Sankt Paulus dem Gemälde von Junker Jörg von Lucas Cranach. Eine andere Eigenart, welche ich nun nicht in den Kontext des konfessionellen Streites stellen würde, ist, dass bei den Abbildungen der 4 großen Propheten Ezechiel durch Melchisedek ersetzt wurde. Warum das so ist, weiß ich nicht. Vielleicht kann ja an dieser Stelle einer der Leser weiterhelfen…   Da die Kirche in einen größeren Gebäudekomplex integriert ist, kam man von der Orgel direkt in den Festsaal. Hier haben meine verzückten Augen festgestellt, dass sich dort auch das badische Wappen (als eigenständiges Großherzogtum!) wiederfindet. Zum Schluss bestiegen wir noch den Kirchturm und konnten eine herrliche Aussicht genießen – die Grenze zwischen grünen Landschaften und braune Wüste, Großstadt und Siedlungen – ein beeindruckendes Panorama. Unsere Fahrt ging weiter und eine erste archäologische Erkundungstour begann. Mit Grabungsplan bewaffnet, konnten wir die einzelnen unterschiedlichen Steinreste in der näheren Umgebung von Samuels Grab begutachten. Wie dieser Ort zum Grab des Samuel wurde, ist unklar. Bereits im 6. Jhd. entstand eine christliche Tradition, zunächst aber für die Lokalisierung der Salbung Sauls zum König. Diese entwickelte sich fort und spätestens seit der Übernahme dieses heiligen Ortes von muslimischer Seite, galt er als die Grabstätte Samuels. Da auf diesem Berge im Norden Jerusalems die Kreuzfahrer das erste Mal auf Jerusalem blickten und hier ihre erste Bastion errichteten, hat er archäologisch viel zu bieten. Und auch wenn es für alle fremdes Terrain waren, völlige Orientierungslosigkeit war nicht vorhanden. Im Gebäudekomplex selbst befindet sich eine Moschee, welche wohl nicht mehr in Betrieb ist, und im Keller eine jüdische Gebetsstätte. Hier finden sich die Gläubigen zum Gebet und Torah-Studium ein, natürlich nach Geschlechtern getrennt. Von beiden Seiten kann man auf Samuels Grab blicken, besser gesagt – ohne despektierlich werden zu wollen – auf eine schwarze Plastikdecke, welche das Grab bedeckt. Das straffe Programm führte uns weiter nach Emmaus-Qubeibeh. Dieser Ort gilt als einer von mehreren Lokalisierungen von Emmaus. Da dieser in der Westbank liegt, hatte ich zum ersten Mal das Gefühl im Nahe Osten und dem was dazu gehört angekommen zu sein – "mitten drin, statt nur dabei". Dort besuchten wir eine katholische Einrichtung der Salvatorianerinnen, die sich vor allem um alte alleinstehende Frauen kümmert. Nachdem wir uns beim Mittagessen unter dem Gartenpavillon  gestärkt und einen ersten Einblick in die Arbeit vor Ort bekommen hatten, konnten wir den Bewohnerinnen durch musikalische Darbietungen eine Freude machen. Die letzte Exkursionsstation war Abu Gosh, auch dieser Ort hat eine Emmaustradition. Unsere Anlaufstelle war das Kloster der französischen Benediktiner, in welchem sowohl Frauen als auch Männer auf demselben Gelände leben. Zum Teil wird auch das Stundengebet gemeinsam begangen, doch kann man sicherlich nicht von einem gemischten Konvent sprechen. Im Inneren konnte man noch Fragmente der ehemaligen Wandgemälde erkennen. Da unser Busfahrer nicht so viel Zeit eingeplant hatte wie wir, mussten wird das französische Stundengebet verfrüht verlassen. Damit endete der erste Exkursionstag, aber der Bericht noch nicht.

Neben der einen Exkursion pro Woche finden natürlich auch Vorlesungen statt. In dieser Woche dozierten Prof. Felix Körner SJ und Prof. Ömer Özsoy zum Thema: Die Vernunft der Welt. Islamisch- und christlich-theologische Debatten. Da diese noch in der kommenden Woche fortgeführt werden, spare ich mir den inhaltlichen Teil an dieser Stelle aus. Die Veranstaltung hat in der vergangen Woche stets von 8:30 Uhr bis 12 Uhr stattgefunden (= zwei Doppelstunden), natürlich mit einigen kleineren und größeren Pausen. Der Nachmittag war meistens frei bzw. zur Bearbeitung der aufgegeben Texte da. Am Dienstagnachmittag besuchten wir erneut den Augusta Victoria Compound. Dieses Mal allerdings das DIE. Dort führte uns Prof. Vieweger in seine Arbeit im Heiligen Land, die aktuellen Grabungen und natürlich das Forschungszentrum ein. Eine der Grabungen ist unterhalb der Erlöserkirche, wo mehrere Schichten der vergangenen Jahrhunderte zu sehen sind, auf denen die Kirche erbaut wurde. Die Ausstellung dazu wird Anfang November eröffnet, wozu wir – wie auch zum Sommerfest am kommenden Dienstag – herzlich eingeladen wurden. Der Mittwochabend ist für Gastvorträge oder auch Exkursionsvorbereitungen reserviert. In der vergangen Woche wurde wir in das Kairos-Palästina Dokument eingeführt, da wir am kommenden Dienstag eine Begegnung mit Mitri Raheb haben werden. Zu guter Letzt findet am Donnerstagabend der Arabisch-Kurs statt. Die ersten fünf Einheiten werden verpflichtend sein, danach kann jeder entscheiden, ob er den Kurs auf eigene Kosten weiterführen will. Derzeit neige ich dazu dies zu tun, aber wer weiß was noch alles geschieht… Am Freitag hatten wir dann eine fakultative Veranstaltung, die allerdings auch von nahezu allen wahrgenommen wurde. So besuchte eine größere Gruppe einen reformierten Synagogengottesdienst; ich selbst war mit einer Kleineren in der Großen Synagoge bei den Orthodoxen Juden. Da es für mich der erste Gottesdienst in einer Synagoge war, konnte ich nicht allem folgen. Aber dank der Unterstützung meines Nebensitzers fand ich mich zumindest halbwegs zurecht. Es war ein "kontrolliertes Durcheinander" mit Kommen und Gehen, aber auch eine würdige Feier der Gläubigen. Die Psalmgebete, welche natürlich auch vorgesungen wurden, konnte ich gut mitlesen – wenn ich sie denn gefunden hatte – und bei manchen Stellen fielen mir auch andere Aussprachetraditionen auf. Es handelte sich übrigens um den klassischen masoretischen Text. Auch dem Herbeisingen des Shabbat konnte ich noch folgen, aber dann verließen mich die Geister. Insgesamt war es ein interessanter Besuch, bei dem vieles fremd war und ich umso mehr meine Hebräisch-Kenntnisse schätzen lernte, dich mich nicht völlig der Fremde überließen. Das Wochenende war frei, was allerdings auch nicht immer der Fall sein wird. Dieses wurde zum Großteil zum Studium genutzt – wer möchte kann die ersten Prüfungen ablegen – aber auch der Erholung. Ihr seht: die Zeit wird intensiv sein und was man für Bereicherungen erfährt, kann man immer noch nicht erfassen.   

Sonntag, 26. August 2012

Des Dorf isch mei Dorf, des Dorf isch dei Dorf


Was ich ursprünglich als Nachtrag einbauen wollte, stellt sich nun als Auftakt dar. In einem meiner ersten Berichte habe ich vergessen folgendes Ereignis festzuhalten: Als wir am ersten Samstag um 18 Uhr in die Vesper gingen – alles war neu und das Stundengebet kennt der Protestant an sich ja sowieso nicht – erblickte ich auf einmal ein mir vertrautes Gesicht. Trotz langem hin und her, kann es stimmen, ist es wahr, bin ich zum Entschluss gekommen:  Ja, da vorne in der Apsis sitzt tatsächlich meine ehemalige Pfarrvikarin aus Berghausen, wohnend im Nachbardorf, gemeinsam mit ihrem Mann. Auch eine vage Erinnerung in meinem Gedächtnis stellt sich zum Schluss als Tatsache heraus. Vor einigen Jahren, waren auch sie Teilnehmer des Theologischen Studienjahrs an der Dormitio. Es folgte im Anschluss an die Vesper und des gegenseitigen Erkennens die obligatorische Hausführung, in welcher die Unterschiede von damals und heute ausdiskutiert wurden. Wir springen von diesem Zeitpunkt ungefähr 15 Tage nach vorne: Gemeinsam mit einem unserer vielen Andreasse (gibt es diese Wort?!) ging ich heute Morgen zum evangelischen Gottesdienst in die Erlöserkirche. Kaum saßen wir, meinte er zu mir: "Ach das ist ja lustig: Da vorne sitz mein NT-Prof."  Da dieser auch mal in Mainz tätig war und ich mit seinem Sohn studierte, wollte auch ich meine Augen zu ihm wenden. Dabei sprang er gerade auf, um einen seiner Kollegen zu begrüßen – natürlich handelt es sich dabei um einen meiner Professoren des Alten Testaments aus Mainz. Ohne viel interpretieren zu wollen, musste ich spontan wiedermal an Psalm 122 denken. Dort heißt es in den Verse 3 und 4: "Jerusalem ist gebaut als eine Stadt, in der man zusammenkommen soll, wohin die Stämme hinaufziehen, die Stämme des HERRN, wie es geboten ist dem Volke Israel, zu preisen den Namen des HERRN." Ich freue mich schon jetzt auf die weiteren unerwarteten Begegnungen. Ich bin sicher, sie werden geschehen…  

Freitag, 24. August 2012

Das alles ist Deutschland?


Schaffe, schaffe, Häusle baue… Nicht nur die Schwaben sind für ihre Altersvorsorge im Immobiliensektor bekannt, auch die Preußen waren im Baugeschäft nicht untätig. Während allerdings die einen ein gemütliches Heim suchten, mussten die anderen ihre Majestät und Herrlichkeit der Welt zeigen. So auch in Jerusalem. Dank der engen Beziehungen des deutschen Kaiserhauses und den Osmanen konnte sich Kaiser Wilhelm II. in der Heiligen Stadt verewigen. Auf einem ehemaligen Gelände des Johanniterordens wurde im Jahre 1898 die Erlöserkirche –gebaut im neoromanischen Stil – eingeweiht. Eine Besonderheit der Kirche ist, dass der mittelalterliche Kreuzgang mit eingebaut wurde. Daher gibt es nun in Jerusalem eine evangelische Kirche mit Kreuzgang. Da es sich der Kaiser nicht nehmen lassen konnte an der Einweihung teilzunehmen, wurden sofort weitere Maßnahmen zur deutschen Repräsentation in Jerusalem getroffen. Um nun auch der Ökumene gerecht zu werden, wurde auch den Katholiken ein Plätzchen für eine Kirche gesichert. Auf diesem Gelände entstand ein Kloster, mit angeschlossener Kirche: die Dormitio. Eingeweiht wurde diese 1910, einen Tag nach der evangelischen Himmelfahrtkirche auf dem Ölberg. Diese gehört zum Komplex des Auguste-Victoria-Hospitals. Als Krankenhaus und Kurort eine Bauwerk zu Ehren der deutschen Kaiserin. Auf dem Gelände, welches heutzutage Augusta Victoria Compound genannt wird, ist heute auch das Deutsche Evangelische Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes (DEI). Auch dieses verdankt seine Gründung Wilhelm II. Man sieht also, die Präsenz des letzten deutschen Kaisers ist kaum zu übersehen. Die Motivation hinter dem Ganzen war natürlich der Anschluss an das byzantinische Kaiserreich. Dementsprechend ist auch die Ausstattung der Kirchen an die byzantinische Kunst angelegt und viel Prunk und Gloria sollen die Wichtigkeit des Preußen in der Welt verdeutlichen. Gerüchten zufolge soll auch der Turm der Dormitio-Kirche Antlitz Wilhelms II. wiedergeben. Die rundzulaufende Turmspitze soll eine Pickelhaube darstellen, die spitz zulaufenden Dächer über den Ausgängen die militärischen Schulterklappen. Ob meine eigene Interpretation, dass die Uhren die Ohren, das dazwischenliegende Fenster das Auge/die Augen und das direkt darunter befindliche rundliche Gebilde den Schnauzer darstellen sollen richtig ist, weiß ich nicht. Jedenfalls ist es doch ein beruhigendes Gefühl, dass "der größte Versager der deutschen Geschichte" über den Zion und die Altstadt wacht…    

Donnerstag, 23. August 2012

Please Allow Me To Introduce Myself

Durch den Beginn der Vorlesungszeit ist meine Zeit mittlerweile eher eingeschränkt. Naja – zumindest ist das Genießen des Lebens in der Freizeit gerade wichtiger, als die journalistische Tätigkeit. Daher folgt nun erst der Bericht über die vergangene Einführungswoche. Ich hoffe, dass ich alle Termine in der richtigen Reihenfolge wiedergebe, aber ihr wisst ja: errare humanum est… Diese begann ganz klassisch mit einer Vorstellungsrunde. Ich beginne zunächst einmal mit der Leitung. Diese besteht aus der Dekanin des „Laurentius-Klein-Lehrstuhl für Biblische und Ökumenische Theologie“, zwei Studienassistenten, welche gerade das Examen in Evangelischer Theologie bestanden haben. Diese sind für die akademische Betreuung zuständig und somit unsere Dozenten über das Jahr hinweg. Dazu zählt auch die Vorbereitung, Organisation und zumindest zu Beginn die inhaltliche Einführung der wöchentlichen Exkursionen. Zur Studienleitung gehört ebenso ein Mönch der Dormition Abtei, welcher sowohl den seelsorgerlichen Part abdecken soll als auch den Primärkontakt zum Kloster. Die Gruppe der Studierenden setzt sich aus 21 Personen zusammen. Davon sind 7 weiblich und 14 männlich. Das bisherige Gerücht einer protestantischen Mehrheit wurde während dieses Artikels überprüft und ich musste feststellen, dass wir im Verhältnis 9:12 die Minorität stellen. Leider ohne klassischen Priesterkandidaten, aber immerhin ein waschechter Reformierter. Dank dieses Schweizers und eines Österreichers ist die "Ausländerquote" nicht bei null. Man stellt fest, wir sind eine höchst spannende und bislang aufgeschlossene Gruppe. Auch Alterstechnisch bin ich dann doch eher einer der Jüngsten…  Soweit fürs Erste zu den Bewohnern des Hauses Josephs. In diesem ersten Einführungsblock wurde neben dem Jahresthema "Religion und Moderne" auch das Vorlesungsverzeichnis angeschaut und eingehender besprochen. Bei Interesse kann dieses unter http://studienjahr.de/fileadmin/Mediendatenbank/PDFs/Vorlesungsverzeichnisse/Studienjahr_2012_13._Vorlesungsverzeichnis.pdf eingesehen werden. Am Nachmittag war dann die Feldführung in der nächsten Umgebung – sprich der Besuch der Abtei. Die Kirche der Dormitio steht auf einem Areal, welches bereits früh eine christliche Ortstradition entwickelte. So wird der Saal des letzten Abendmahls und damit der Aufenthaltsort der Jünger an Pfingsten hierher lokalisiert. Ebenso soll hier das Haus der Maria gestanden haben, welche wohl mit den Jüngern in einer WG wohnte und dementsprechend auch hier gestorben ist. Daher auch der Name Dormitio (Entschlafung). Ende des 19. Jhd. wurde dann die heutige Kirche errichtet, welche allein den Sterbeort Mariens anzeigt. Dementsprechend sind die Darstellungen im Kirchenraum vor allem von Maria geprägt. Gleichfalls ist in der Krypta eine hölzerne auf dem Sterbebett liegende Maria aufgestellt. Dies dient zur Verdeutlichung ihres Todes. Doch – wie vermutlich die katholischen Leser wissen – wurde Maria mit ihrem Tode direkt von Christus in den Himmel aufgenommen. Uns, vor allem uns Protestanten, wurde am Nachmittag auch eine Erklärung zum Feste gegeben und man stellte fest: völlig absurd und aus der Luft gegriffen ist das ja gar nicht. Aber dazu im Artikel zum Katholizismus (ja, er kommt noch) mehr. Neben dem Besuch der Klausur und damit verbundenen Kaffeetrinken mit den Mönchen, wurde uns noch ein erster Einblick in die Bibliothek gegeben. An dieses Gebäude aus Klausur und Kirche bestehend sind auch noch ein Souvenirshop und eine Cafeteria angeschlossen. Bei den Mönchen handelt es sich übrigens um einen deutschen Benediktinerorden. Näheres unter www.dormitio.net. Am Abend nah der Komplet nahm sich der Abt für uns Zeit. Bei Cola und anderen Softdrinks erzählte uns der "Ire und Brite" von seinem bisherigen spannenden Leben und wir hatten einen sehr interessanten Abend. Allzu viel möchte ich nun einer unkontrollierbaren Öffentlichkeit nicht preisgeben, aber ein Zitat kann ich mir nicht verkneifen: "Um in Jerusalem Abt werden zu können, musste ich mich von meinem Heimatkloster lösen – mit ihm brechen. Dies ist im Benediktinerorden nicht vorgesehen. Mein Abt sprach als die Anfrage kam zu mir: 'Wenn ein irischer Mönch zum Abt in ein deutsches Kloster nach Jerusalem berufen werden soll – da muss der Heilige Geist im Spiel sein'." 

Am Dienstag machten wir zunächst einen Spaziergang zur Haas Promenade, von welcher man einen herrlichen Blick über Jerusalem hatte. Des Nachmittags brachen wir auf an die andere Seite der Altstadt. Dort wurden wir von einem Dominikaner in die Funktionsweise der École biblique et archéologique française de Jérusalem. . Auch diese dürfen wir während unseres Studienjahres mitbenutzen. Am Abend, wie wir uns erinnern, waren wir auf dem Turm der Erlöserkirche. 

Am Mittwoch fand das Hochamt zur Aufnahme Mariens in den Himmel statt. Ein sehr schöner Gottesdienst - auch hier verweise ich auf die Zukunft. Im Anschluss daran traf man sich noch im Vorhof der Kirche, um leckere Kekse zu essen und mit den Gottesdienstbesuchern ins Gespräch zu kommen. Falls mich mein Gedächtnis nicht im Stich lässt, haben wir an dem Tag auch unsere Gemeinschaftsdienste besprochen. Ich bin – wie es wohl kommen musste – mal wieder für die Getränke verantwortlich. Auch hier bleibt der Schatten des Bierwarts über mit… Naja zum Glück bin ich auch hier nicht ganz alleine verantwortlich. Am Abend besuchten wir erneut die Erlöserkirche. Wir trafen uns mit dem Propst der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde Jerusalem und er erzählt uns von seiner Arbeit. Da er auch erst seit wenigen Wochen in Jerusalem ist und erst am 02.09.2012 eingeführt wird, war der Austausch bzgl. des Ankommens natürlich sehr spannend. Ob ich nun die Tatsache, dass er ebenfalls aus der badischen Landeskirche stammt, als Wink mit dem Zaunpfahl ansehen sollte, kann ich noch nicht beurteilen. 

Der Donnerstag war der Altstadt gewidmet. In vier Gruppen - eingeteilt durch die jeweiligen Viertel; wir waren das Jüdisch – erkundeten wir die Altstadt. Ausgehend von der römischen Zeit bis hin zu den "neusten" Entwicklungen, haben wir einen tiefen Einblick erhalten; auch wenn man sich als klassischer Tourist vorkam. Sensationell war der Eiskaffee im Österreichischen Hospiz, obwohl man durchaus den Eindruck hatte in die heile Welt Wiens einzutreten und sich nicht mehr im Nahe Osten befindet. Ich denke, an dieser Stelle kann ich entweder auf Reiseführer verweisen oder Euch einladen die Heilige Stadt zu besuchen. Ach, eine kleine Aufmerksamkeit will hier nicht unerwähnt lassen: Aufgrund des Sesamvorfalls war natürlich beim gemeinsamen Mittagessen Vorsicht geboten. Aber so lieb wie unsere Studienassistenten sind, haben sie mir Käsebrote mitgebracht, damit der kleine Johannes nicht verhungern musste. Das ist doch nett! Am Abend wurden wir dann noch von unserem Stammhändler besucht. Klingt komisch, ist aber so. Shaban hat seinen Shop im christlichen Viertel der Altstadt und wer etwas haben will, aber nicht handeln möchte, aber trotzdem faire Preise haben will, geht zu ihm – einem treuen Freund des Studienjahres! Da Ramadan war, hatte er uns leider keinen Kaffee anbieten können. Dafür hat er am Abend eine Art Berliner für alle mitgebracht. Freundschaft und Kontakt – das dies das Leben hier prägt, merkt man früh.  

Am Freitag wurden wir nochmal speziell in die Referate eingeführt. Das war damals noch nicht entschieden, aber nun ist klar, dass ich mich zum Einen mit der "Josianischen Reform" und zum Anderen mit dem Thema: "JHWH und seine Aschera. Geschichte eines göttlichen Paares?" auseinandersetzen darf. Eigentlich top, leider zeitlich relativ nah bei einander, aber gut – ein bisschen was muss ich halt auch machen. Desweiteren wurden wir noch offiziell in die Bibliothek der Abtei eingeführt. Man – so unkompliziert habe ich ein System noch nie erlebt. Und da es in der Vergangenheit funktionierte, hoffe ich, dass es auch bei uns völlig problemlos laufen wird. Hab mich noch nicht wirklich eingearbeitet und bin gespannt, was für Schätze ich dann entdecken werde. Am Abend hatten wir dann unseren Eröffnungsgottesdienst. Es war sehr cool. Den Ablauf und auch die einzelnen Elemente haben wir in Absprache erarbeitet. Dabei haben wir schon in der ersten Woche eine Menge auf die Beine gestellt. Neben einem mehrstimmigen Chor (und hey, alle können singen, wie toll ist denn das?!), haben wir die Gebete geschrieben, die Lieder ausgesucht und begleitet. Es war eine bunte Mischung mit vielen individuellen Elementen, aber insgesamt schien es als Gesamtkonzept angekommen zu sein. Das ausgerechnet ich das "Rausschmeißer-Lied" One Way Jesus – als klassisches Element eines von evangelischen Jugendlichen vorbereiteten Gottesdienstes – durchgesetzt habe, ist auch schon eine Ironie für sich^^ Im Anschluss daran war dann ein großes Begegnungsfest mit den Mönchen und Freunden des Studienjahres mit viel Essen, Wein und guten Gesprächen. Ach, das fühlte man sich so selig…

Der Samstag diente - man kann es den vorherigen Zeilen ablesen - der Erholung. Desweiteren – nein, das soll an dieser Stelle noch nicht verraten werden... Am Abend beschloss ein kleinere Teil den Beamer auf sein Kinofunktionsfähigkeit zu testen und beschäftigte sich mit dem Sinn des Lebens…jaja Monty Python lässt grüßen. 

Auch der Sonntag war insgesamt vergleichsweise ereignislos, aber immerhin konnten wir mit Felix Körner SJ und Ömer Özsoy unsere ersten Professoren begrüßen. Hier ende ich, der Bericht zur ersten Vorlesung kommt bestimmt…