Wie sieht eigentlich so ein Studium an der Dormitio aus? Wer
sich diese Frage gestellt hat, soll nun eine Antwort erhalten. Ein kleiner
Einblick in die erste, wohl vergleichsweise entspannte Studienwoche. Jede Woche
findet eine Exkursion statt. Zu Beginn liegen die Organisation und die
inhaltlichen Einführung in den Händen der Studienassistenten. Doch in naher
Zukunft wird der zweite Teil von uns Studenten übernommen werden und auch bei
der Organisation sind wir nicht völlig untätig – immerhin gibt es ein Team,
welches sich um die Verpflegung kümmern darf. Die erste Exkursion war am Montag
– eine Busreise in die nähere Umgebung. Zunächst fuhren wir auf den Ölberg zum Augusta
Victoria Compound. Wie wir ja bereits wissen, steht hier die evangelische
Himmelfahrtskirche. Diese ist nicht geostet, sondern auf den eigentlichen Platz
der Aufnahme Jesus in den Himmel hin ausgerichtet. Die künstlerische Gestaltung
spielt auch hier auf Byzanz an und natürlich fehlt auch das Abbild des
Kaiserpaares nicht. Zudem finden sich einige kleinere und größere Raffinessen. So
ist Petrus der einzige Apostel, welcher nicht mit Sankt betitelt wird, sondern
einfach nur den "Titel" Simon trägt. Wollte hier etwa jemand die
Heiligkeit des Heiligen Vaters bestreiten? Zudem gleicht das Bildnis des Sankt
Paulus dem Gemälde von Junker Jörg von Lucas Cranach. Eine andere Eigenart,
welche ich nun nicht in den Kontext des konfessionellen Streites stellen würde,
ist, dass bei den Abbildungen der 4 großen Propheten Ezechiel durch Melchisedek
ersetzt wurde. Warum das so ist, weiß ich nicht. Vielleicht kann ja an dieser
Stelle einer der Leser weiterhelfen… Da die Kirche in einen größeren Gebäudekomplex
integriert ist, kam man von der Orgel direkt in den Festsaal. Hier haben meine
verzückten Augen festgestellt, dass sich dort auch das badische Wappen (als
eigenständiges Großherzogtum!) wiederfindet. Zum Schluss bestiegen wir noch den
Kirchturm und konnten eine herrliche Aussicht genießen – die Grenze zwischen
grünen Landschaften und braune Wüste, Großstadt und Siedlungen – ein beeindruckendes
Panorama. Unsere Fahrt ging weiter und eine erste archäologische Erkundungstour
begann. Mit Grabungsplan bewaffnet, konnten wir die einzelnen unterschiedlichen
Steinreste in der näheren Umgebung von Samuels Grab begutachten. Wie dieser Ort
zum Grab des Samuel wurde, ist unklar. Bereits im 6. Jhd. entstand eine
christliche Tradition, zunächst aber für die Lokalisierung der Salbung Sauls
zum König. Diese entwickelte sich fort und spätestens seit der Übernahme dieses
heiligen Ortes von muslimischer Seite, galt er als die Grabstätte Samuels. Da
auf diesem Berge im Norden Jerusalems die Kreuzfahrer das erste Mal auf
Jerusalem blickten und hier ihre erste Bastion errichteten, hat er
archäologisch viel zu bieten. Und auch wenn es für alle fremdes Terrain waren,
völlige Orientierungslosigkeit war nicht vorhanden. Im Gebäudekomplex selbst
befindet sich eine Moschee, welche wohl nicht mehr in Betrieb ist, und im
Keller eine jüdische Gebetsstätte. Hier finden sich die Gläubigen zum Gebet und
Torah-Studium ein, natürlich nach Geschlechtern getrennt. Von beiden Seiten kann
man auf Samuels Grab blicken, besser gesagt – ohne despektierlich werden zu
wollen – auf eine schwarze Plastikdecke, welche das Grab bedeckt. Das straffe
Programm führte uns weiter nach Emmaus-Qubeibeh. Dieser Ort gilt als einer von
mehreren Lokalisierungen von Emmaus. Da dieser in der Westbank liegt, hatte ich
zum ersten Mal das Gefühl im Nahe Osten und dem was dazu gehört angekommen zu
sein – "mitten drin, statt nur dabei". Dort besuchten wir eine
katholische Einrichtung der Salvatorianerinnen, die sich vor allem um alte
alleinstehende Frauen kümmert. Nachdem wir uns beim Mittagessen unter dem
Gartenpavillon gestärkt und einen ersten
Einblick in die Arbeit vor Ort bekommen hatten, konnten wir den Bewohnerinnen
durch musikalische Darbietungen eine Freude machen. Die letzte
Exkursionsstation war Abu Gosh, auch dieser Ort hat eine Emmaustradition.
Unsere Anlaufstelle war das Kloster der französischen Benediktiner, in welchem
sowohl Frauen als auch Männer auf demselben Gelände leben. Zum Teil wird auch
das Stundengebet gemeinsam begangen, doch kann man sicherlich nicht von einem
gemischten Konvent sprechen. Im Inneren konnte man noch Fragmente der
ehemaligen Wandgemälde erkennen. Da unser Busfahrer nicht so viel Zeit
eingeplant hatte wie wir, mussten wird das französische Stundengebet verfrüht
verlassen. Damit endete der erste Exkursionstag, aber der Bericht noch nicht.
Neben der einen Exkursion pro Woche finden natürlich auch Vorlesungen statt. In dieser Woche dozierten Prof. Felix Körner SJ und Prof. Ömer Özsoy zum Thema: Die Vernunft der Welt. Islamisch- und christlich-theologische Debatten. Da diese noch in der kommenden Woche fortgeführt werden, spare ich mir den inhaltlichen Teil an dieser Stelle aus. Die Veranstaltung hat in der vergangen Woche stets von 8:30 Uhr bis 12 Uhr stattgefunden (= zwei Doppelstunden), natürlich mit einigen kleineren und größeren Pausen. Der Nachmittag war meistens frei bzw. zur Bearbeitung der aufgegeben Texte da. Am Dienstagnachmittag besuchten wir erneut den Augusta Victoria Compound. Dieses Mal allerdings das DIE. Dort führte uns Prof. Vieweger in seine Arbeit im Heiligen Land, die aktuellen Grabungen und natürlich das Forschungszentrum ein. Eine der Grabungen ist unterhalb der Erlöserkirche, wo mehrere Schichten der vergangenen Jahrhunderte zu sehen sind, auf denen die Kirche erbaut wurde. Die Ausstellung dazu wird Anfang November eröffnet, wozu wir – wie auch zum Sommerfest am kommenden Dienstag – herzlich eingeladen wurden. Der Mittwochabend ist für Gastvorträge oder auch Exkursionsvorbereitungen reserviert. In der vergangen Woche wurde wir in das Kairos-Palästina Dokument eingeführt, da wir am kommenden Dienstag eine Begegnung mit Mitri Raheb haben werden. Zu guter Letzt findet am Donnerstagabend der Arabisch-Kurs statt. Die ersten fünf Einheiten werden verpflichtend sein, danach kann jeder entscheiden, ob er den Kurs auf eigene Kosten weiterführen will. Derzeit neige ich dazu dies zu tun, aber wer weiß was noch alles geschieht… Am Freitag hatten wir dann eine fakultative Veranstaltung, die allerdings auch von nahezu allen wahrgenommen wurde. So besuchte eine größere Gruppe einen reformierten Synagogengottesdienst; ich selbst war mit einer Kleineren in der Großen Synagoge bei den Orthodoxen Juden. Da es für mich der erste Gottesdienst in einer Synagoge war, konnte ich nicht allem folgen. Aber dank der Unterstützung meines Nebensitzers fand ich mich zumindest halbwegs zurecht. Es war ein "kontrolliertes Durcheinander" mit Kommen und Gehen, aber auch eine würdige Feier der Gläubigen. Die Psalmgebete, welche natürlich auch vorgesungen wurden, konnte ich gut mitlesen – wenn ich sie denn gefunden hatte – und bei manchen Stellen fielen mir auch andere Aussprachetraditionen auf. Es handelte sich übrigens um den klassischen masoretischen Text. Auch dem Herbeisingen des Shabbat konnte ich noch folgen, aber dann verließen mich die Geister. Insgesamt war es ein interessanter Besuch, bei dem vieles fremd war und ich umso mehr meine Hebräisch-Kenntnisse schätzen lernte, dich mich nicht völlig der Fremde überließen. Das Wochenende war frei, was allerdings auch nicht immer der Fall sein wird. Dieses wurde zum Großteil zum Studium genutzt – wer möchte kann die ersten Prüfungen ablegen – aber auch der Erholung. Ihr seht: die Zeit wird intensiv sein und was man für Bereicherungen erfährt, kann man immer noch nicht erfassen.
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