Mittwoch, 26. September 2012

Was ich noch zu sagen hätte...



Bevor ich von der Sinaiexkursion erzähle, komme ich nicht umhin Euch einen kurzen Überblick der Ereignisse im Vorfeld zu geben. So sollen zunächst noch von den vergangenen Lehrveranstaltungen berichtet werden. Die erste Vorlesung war – wie bereits zu lesen war – mit Felix Körner und Ömer Özsoy. Aus christlicher islamwissenschaftlicher Perspektive wurden die einzelnen Themenbereiche (Offenbarungs- und Schriftverständnis; Wissenschaft und offenbarte Vernunft; Pluralität und offenbarte Einheit; Autonomie und offenbartes Recht) zumeist von Prof. Körner eingeführt und anschließend von Prof. Özsoy aus innerislamischer Perspektive erläutert. Meist schloss sich daran eine Diskussion zu den einzelnen Aussagen zwischen den beiden, aber auch mit den Studenten an. Prof. Körner wollte vor allem die Aussage "we can be friends in difference" nahe bringen. Prof. Özsoy, ein Vertreter der Schule von Ankara, vertritt ebenfalls einen gewissen Pluralismus. Anhand der Koranexegese zeigte er auf, dass jeder gottesfürchtige Mann (wörtlich für "muslim") ein Paradies erwarten darf. Das Christentum (im Koran stellenweise schon monotheistisch verstanden) darf sich also der Jenseitshoffnung anschließen und gehört in seinem Glauben an den einen Gott zu der universal zu verstehenden Religion des Islam. Zudem wurde mit einem anschaulichen Beispiel aufgezeigt, wie sehr das Deutsche und der gewählte Übersetzungsansatz die Aussagen des Koran verzerren kann. Der Höhepunkt der gemeinsamen Diskussion war die Besprechung der Ringparabel. Diese wurde von verschiedenen Gruppen auf ihre Stärken und Schwächen untersucht und eine weitere versuchte eine alternative Parabel zu finden. Dies gelang zumindest in Teilen. Im Endeffekt stellt sich immer noch die Frage inwieweit der interreligiöse Dialog stattfinden kann und ob man über eine ethische Verständigung hinaus kommt. Inwieweit der Koran aus christlicher Perspektive als Offenbarung zu verstehen ist, war ein Grundthema der Veranstaltung. Diese Fragestellung wurde von einigen Studenten im Rahmen eines Essays als Prüfungsleistung bearbeitet – mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Eine Zusammenfassung des katholisch-islamischen Dialogs präsentierte Prof. Körner im Rahmen des Jerusalemer Instituts der Görres-Gesellschaft unter den Schlagwörtern "Activities Analysis Agenda". Zuletzt konnten wir die beiden Dozenten verabschieden und den beiden Freunden eine großartige Karikatur des Andern mit auf den Weg geben (Ja, wir haben hier einen echten Künstler am Start!): ein Geschenk, das Beiden große Freude bereitete.
Der ersten Exkursionswoche folgte umgehend die zweite. Eine erste Exkursion führte uns zur Grabeskirche. Die konstantinische Basilika wurde auf dem Forum des Hadrian errichtet, wozu Euseb schreibt, dass man die heidnischen Steine restlos entfernen ließ und das christliche Gebäude darauf errichtete (naja, mindestens die Substruktur musste erhalten bleiben…). Nach archäologischen Betrachtungen und durch Kenntnis der Stadtentwicklung, kann angenommen werden, dass Golgatha tatsächlich hier zu lokalisieren ist. Es handelt sich hierbei um ein ehemaliges Steinbruchgebiet, wobei der übrige Steinboden nicht mehr zum Bau verwendet werden konnte. Zudem lag das Gebiet zurzeit Jesu außerhalb der Stadtmauer und ist somit ein wahrscheinlicher Ort der Schädelstätte.  Man könnte zudem annehmen, dass Hadrian mit seinem Forum eine frühchristliche Gedenkstätte überbauen ließ. Die größte Zerstörung erfuhr die ursprüngliche Basilika durch die Herrschaft von Al-Hakim, welche wohl auch ein Auslöser des ersten Kreuzzugs darstellt. Der Wiederaufbau durch die Kreuzfahrer ist auch heute noch erkennbar, allerdings durch die Trennwände der letzten Renovierungsphase nicht im vollen Umfang. Unterhalb des armenischen Bereichs, wo sich auch die Stelle der Kreuzfindung durch Helena befindet, kann man eine alte Schiffzeichnung entdecken. Diese wird als Dank für die Errettung aus einem Schiffbruch gedeutet, wobei unklar ist, ob die jetzt christliche Inschrift, nicht ehemals pagan war und umgeschrieben wurde. Im sogenannten Grab des Josef von Arimathäa kann man nochmals die typisch frühjüdischen Stollengräber sehen.  Zu Gestaltung, Wahrnehmung, Liturgie- und Pilgerbetrieb werde ich mich äußeren, nachdem ich einmal die Nacht darin verbracht habe. Die zweite Exkursion der Woche führte uns zur St. Anna-Kirche. Dort kann man im hinteren Gelände, die in Joh 5 beschriebene Badeanlage sehen. Dort können auch Überreste der byzantinischen und des Ausbaus aus Kreuzfahrerzeit gesehen werden. Es entwickelte sich hier neben der Erinnerung an Joh 5 ebenfalls eine Marientradition. Nicht weit davon beginnt die Via Dolorosa. Da allerdings der herodianische Palast am Jaffator stand, und Pontius Pilatus dort residiert haben wird, kann der historische Kreuzweg Jesu unmöglich in der Nähe des Löwentors begonnen haben. Aber gut – die Tradition will es halt so.  In den Räumen der Ecce-Homo-Kirche kann man neben dem Struthion-Becken, eine antike Wassersammelstelle, auch ein ehemaliges römisches Pflaster sehen. Hier haben wir die Besonderheit, dass man auf ihnen noch Spuren von römischen Spielen entdecken, die wohl erst aus nachjesuanischer Zeit stammen. Bekannt ist v.a. das Königsspiel: Dies wurde – wenn ich mich richtig erinnere – mit Sklaven gespielt, wobei der Sieger für den restlichen Tag zum König ernannt wurde. Daher scheint Mt 27,27ff eine historische Grundlage zu haben, auch wenn meine "These", das Jesus der Sieger eines solchen Spiels war, eher als Blasphemie abgetan wurde…  Damit endeten die Exkursionen mit Prof. Küchler und abends konnte sein Abschied gefeiert werden. Unsere Geschenk bestanden dieses Mal aus verschiedensten Reliquien, die wir zufällig gefunden haben: Neben dem Stein, den die Schriftgelehrten beinahe auf die Ehebrecherin geworfen hätten, wenn unser Herr und Heiland dies nicht verhindert hätte, überreichten wir ihm ebenso den Sand, auf welchem der Herr und Heiland dabei schrieb  (und nun hat Prof. Küchler das einzige schriftliche Zeugnis des Herrn in seinem Besitz). Auch ein Stückchen Wolle des verlorenen Schafes konnten wir weiterreichen. Ihr seht: alles in allem ein sehr lustiger Abschlussabend zu einer überaus spannenden und unterhaltsamen (wenn auch z.T. anstrengender) Lehrveranstaltung.
Um den Bericht noch zu verlängern, möchte ich noch auf eine weitere Veranstaltung dieser Woche eingehen. So hielt Rabbiner Dr. David Bollag eine "Einführung in die jüdischen Feste und das jüdische Gebet". Da ich bereits eine ähnliche Veranstaltung besucht hatte, kam mir vieles vertraut und wenig neu vor. Allerdings hatte man dieses Mal den Vorteil die Betrachtung aus innerjüdisch orthodoxer Perspektive zu hören. Der Schwerpunkt lag dabei auf den 5 biblischen Festen: Rosch Ha-Schana, Jom Kippur, Sukkot, Pessach und Schawuot. Aufgrund der zeitlichen Nähe wurden v.a. die ersten 3 intensiv besprochen, auch wenn wir Rosch Ha-Schana nicht erlebten, da wir zugleich im Sinai waren. Diesem theoretischen Input soll im Anschluss auch das praktische Erleben folgen. Ob dieses Ziel erreicht wurde, kann ich in meinem Bericht zu Yom Kippur analysieren. Da Rabbiner Bollag uns immer mal wieder im Studienjahr zum Judentum informieren wird, erfolgt der Abschied erst später. Soweit ein erster eher inhaltlicher Einblick in die ersten Vorlesungen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen